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DER CORVEYER HOF

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DER CORVEYER HOF IN LITZIG
Der nachfolgende Text ist der einleitende Teil eines Aufsatzes, den Willi Westermann unter dem Titel "Litzig und seine Fischerzunft von 1455" veröffentlichthat. Hier interessiert nur der Abschnitt, der sich mit dem Corveyer Gut Litzig und dessen Verkauf an die Grafen von Sponheim beschäftigt.

Litzig, ein Hofgut der fränkischen Könige
Auf der linken Seite des windungsreichen Moselflusses, unterhalb von Traben-Trarbach, befand sich bereits in keltisch-römischer Zeit eine Ansiedlung, wie ihr Name 'Liciacum" belegt. Als die Franken unsere Landschaft um 470 mit dem Schwert eroberten, erklärten sie den größten Teil der Mittelmosel und dieangrenzenden moselnahen Hunsrück- und Eifelgebiete zum königlichen Eigentum.
Der umfangreiche Besitz war nicht nur durch Dörfer besiedelt, sondern auch mit Höfen, die über erhebliche Ländereien verfügten. Hierfür haben Ausgrabungen auch in unseren Tagen den Nachweis erbracht.
Durch Schenkungen wurde das Eigentum im Laufe der folgenden Jahrhunderte stets kleiner. Im 9. Jahrhundert war es im Besitz der Karolinger, einemGeschlecht des fränkischen Hochadels, das über das riesige Frankenreich herrschte.
Der Sohn Karls des Großen, Ludwig der Fromme, hatte bereits zwischen 814 und 840 an das Münster zu Aachen eine großzügige Stiftung aus dem moselländischen Eigentum gemacht, nämlich Traben mit allen "Gerechtsamen" und seinen "Anhängseln" (Zugaben), an die noch heute der Aacherhof und die Aacherstraße erinnern. Die Stiftung wird auch im Totenregister des Münsterstiftes Aachen bestätigt. Hier ist das Ableben Ludwigs mit dem Vermerk versehen: "der uns Traben schenkte"
Am 8. April 870 kam es zwischen Ludwigs Sohn, Ludwig dem Deutschen, und dessen Onkel, Karl dem Kahlen, zu einer Erbteilung des großen Frankenreichs in der die Sprachgrenze eine erhebliche Rolle spielte.
Oheim Karl, bereits König von Frankreich, erhielt den französisch-sprechenden westlichen und Neffe Ludwig den größeren deutschsprachigen östlichen Teil, zu dessen Westen unser Gebiet mit Trier, Metz und Aachen gehörte. Das deutschsprachige Erbteil stand für seinen Namenszusatz "der deutsche" Pate. Sieben Wochen nach der Reichsteilung wechselte die Villa (Gutshof) "Lizzicha" nach rund 400 Jahren den Besitzer.
König Ludwig, der im September 870 in seinem Aachener Palast die Folgen eines Sturzes auskurierte, siegelte am 25. September eine Urkunde, durch die er sein königliches Hofgut an das Kloster Corvey bei Höxter an der Weser verschenkte.
Der Gutshof, auf dem weit über hundert Menschen lebten, hatte zu dieser Zeit einen dorfähnlichen Charakter. Seine Bewohner betrieben Viehzucht und bewirtschafteten außer Weinbergen auch Äcker und Wiesen.
Die königliche Schenkungsurkunde

König Ludwigs Urkunde von 870 befindet sich als Abbildung in der von Sybel Sickel 1890-91 in Berlin veröffentlichten Sammlung von Kaiserurkunden, in einer Abschrift aus dem 15. Jahrhundert auf Seite 126 im Kopialbuch Mscr. 134 des Bestandes der Fürstabtei Corvey im Staatsarchiv Münster/Westf. und als Druck in Wilmanns Westf. Urkundenbuch 1. Seite 167. Prof. Dr. H. Disselnkötter vom Gymnasium TrabenTrarbach übersetzte 1932 das Schriftstück aus dem Lateinischen in unsere Sprache.
"Im Namen der heiligen, unteilbaren Dreieinigkeit. Ludwig, durch die göttliche Gnade und Gunst König. Wenn wir aus Unserer Freigiebigkeit heraus den Orten, die Gott geweiht sind, irgendeine Wohltat zuwenden und die kirchlichen Bedürfnisse durch Unsere Beihilfe fördern und in Unsern Königsschutz nehmen, so wird das, wie Wir ganz gewiß glauben, Uns von Nutzen sein, also, dass Wir sowohl Unser vergängliches Leben der Zeit und den Umständen gemäß hinbringen als auch das ewige Leben glücklich erlangen. Daher mögen alle Unsere Getreuen, sowohl die gegenwärtigen als auch die zukünftigen, sorgfältig Kunde davon nehmen, dass wir zu einem noch größern Gewinn für Uns und für das Seelenheil Unseres Herrn Großvaters und Vaters, sowie Unseres Bruders Lothar und seines gleichnamigen Sohnes, gewisse Stücke aus Unserem Eigentum dem in Sachsen gelegenen und Neu-Korvei genannten Kloster geschenkt haben, das heiß eine Villa, die den Namen Lizzicha hat. Hier gibt es 50 Männer, die Pichter bestellen und 51 Pichterwingerte und 7 Teilstücke von Weingärten, worin 2 Fuder gelesen werden können. Auch sind dort 30 Frauen, die Zins geben, jede (jährlich) 6 Sikel Wein, 12 Spindeln Flachsgarn, 3 Hühner und 15 Eier und vom Ackerland insgesamt an die 50 Scheffel (Korn), und von den Wiesen gegen 10 Fuhren (Heu). Diese vorgenannten Stücke also, mit ihrem vollen Bestände, übergeben und überweisen Wir ganz und ungeschmälert aus Unserem Recht und Unserer Herrschaft in das Recht und in die Herrschaft des genannten Klosters. Wir machen allerdings dabei diese Bedingung: sie (die Klosterbrüder) sollen vom heutigen Tag ab inder Folge aufgrund dieser im Namen Gottes ausgiebig gesicherten Urkunde Unserer Königsgewalt, von Niemanden behelligt mit Gotteshilfe zu ewigen Zeiten dort wohnen, ohne irgend welchen Widerspruch, damit sie für Uns, Unserer Gattin und Unserer treuen Nachkommenschaft Heil und Gottes Gnade erbitten mögen. Und damit man diese Unsere Schenkungsvollmacht um so fester beobachtet, für echt hält und streng durchführt, haben Wir sie mit unserer eigenen Hand unter Bestätigung und durch Aufdruck Unseres Ringes siegeln lasen. Ich, der Kanzler Eberhard, habe es in Vertretung des Erzkaplans Luitbert beglaubigt.
Ausgefertigt am 25. September im 34. Jahr der Regierung des Herrn Ludwig, des hocherhabenen Königs im Osffrankenlande und in der 3. Indiktion. Verhandelt zu Aachen im Palast, in Gottes Namen und glücklich Amen."
Die Franken hatten den seit dem 4. Jahrhundert verwendeten Indiktionszyklus zur Datierung von den Römern übernommen. Die dem Jahr beigefügte Indiktion gibt den Zyklus an.
Mit der vorstehenden Schenkung bedachte Ludwig der Deutsche eine Klostergründung der beiden Brüder seines Großvaters Karl des Großen, Adalhard und Wala aus dem Jahre 815/ 816. Die in Sachsen gelegene Reichsabtei der Benediktiner "Corvey" wurde von Ludwigs Vater 822 nach Höxter an die Weser umgesiedelt. Drei Jahre nach der Schenkung entstand an der Klosterkirche das Westwerk, das heute als das älteste erhaltene Bauwerk Westfalens gilt. Den letzten Teil des ehemals großen fränkischen Besitzes an der Mittelmosel, das sieben Dörfer umfassende "Kröver Reich" wurde im 13. Jahrhundert verpfändet. Der römische Kaiser deutscher Nation Rudolph siegelt am 24. November 1274 in Nürnberg eine Urkunde, in der er den Bewohnern von Kröv befiehlt, dem ihnen vorgesetzten Grafen Heinrich von Sponheim-Starkenburg Gehorsam zu leisten. Eine Ausfertigung dieser Urkunde befindet sich im Landeshauptarchiv Koblenz (im weiteren Text als LHA. KO. gekürzt), Bestand 33/15012.

Pichter und Sikel
Durch die genauen Angaben in der Schenkungsurkunde erfahren wir, daß auf dem Konigshof Litzig eine weit größere Anzahl von Menschen lebte, als man vermutet. Zu den 80 erwähnten Personen sind die nicht abgabepflichtigen Frauen der 50 Pichter bestellenden Männer mit weiteren Familienangehörigen hinzuzurechnen. Das Wort Pichter hat H. Disselnkötter zu langwierigen Forschungen veranlaß, die er 1932 und 1934 in Heft 1 der Schulzeitschrift "Die früheren Schüler des Gymnasiums und Lutherhauses zu Traben-Trarbach" veröffentlichte. Seiner Deutung nach ist hierunter mit aller Wahrscheinlichkeit Stütze, Rebstütze oder -pfähl ebenso zu verstehen wie die Bestockung eines Weinberges. Die Angabe "Pichter bestellen" kann auch als "bestockte Weinberge bearbeiten" formuliert werden.
Aus "Pichter" entstanden Flurbezeichnungen, die an Saar, Sauer, Ahr und am Rhein anzutreffen sind. An der Mosel lassen sich "Pichter" bei Trier, Traben-Trarbach, Wittlich, Alken und Lehmen nachweisen. Aus einer Urkunde des Klosters Prüm in der Eifel, das im rheinischen Unkel über Weinbergsbesitz verfügte, geht hervor, daß auf einem Pichter 2 Fuder und 750 Ltr. Wein erzeugt wurde. Disselnkötter kam hiernach zu dem Ergebnis, daß zur Erzeugung eines Fuders Wein 1000 bis 1200 Rebstöcke notwendig waren, wonach ein Pichter etwa der Größe eines Morgens (2500 m1) entsprach. Hiernach betrug die Weinbergsfläche des Königshofes 127500 m2, auf der 114 Fuder und 750 Ltr. plus der beiden Fuder der sieben Teilweingärten erzeugt wurden. Hinzu kam der Weinzins von 30 Frauen mit je "6 Sikel" (Eimer) zu 36 Sester. Das Flüssigkeitsmaß Sester entspricht 4,65 Ltr. (Immich-Spier). 1 Sikel entsprach 167,40 Ltr., 6 Sikel 1044 Ltr. Die 30 leibeigenen Frauen hatten jährlich die beachtliche Menge von 30 Fuder und 132 Ltr. abzuliefern. Die in der Schenkungsurkunde angegebene Gesamtmenge zu Litzig betrug jährlich 147 Fuder und 880 Ltr. Wein.
Außer diesem hatten die Frauen insgesamt 360 Spindeln Flachsgarn, 90 Hühner, 450 Eier und 10 Fuhren Heu abzuliefern, weiterhin 50 Scheffel (Korn). Der Scheffel ist ein Hohlmaß, das sich wegen den unterschiedlichen Größenangaben im Mittelalter nicht fassen und folglich nicht umrechnen lässt. Die aus verschiedenen Urkunden ermittelten Mengen stehen in einem Verhältnis von 1 bis 10 (30-300 Ltr.). Hier entsprach der Scheffel jener Saatgutmenge, die zum Besäen einer Landparzelle nötig war. Daher stammt auch die altdeutsche Bezeichnung "ein Scheffel Land". Der Corveyer Scheffel beinhaltete in der Neuzeit 40,2 Ltr. Er ist jedoch für diese Urkunde nicht anwendbar.
Der Klosterhof und Litzig

Zur fränkischen Zeit lebten die Verwalter des dorfähnlichen Königshofes kontaktnah in Lizzicha. Hier fühlten sich die dem weltlichen Leben abgeneigten und deshalb von ihm getrennt lebenden Mönche nicht wohl. Deshalb suchten sie auf ihrem weitläufigen Besitz eine Stelle, die für den Bau eines von Lizzicha abgelegenen Hofes alle Voraussetzungen bot. Eine solche fanden sie etwa 15 Gehminuten moselabwärts von Litzig entfernt, und zwar dort, wo der inzwischen zugewachsene Weg Zur Schleuse den Eisenbahndamm überquert. Hier war genügend Wasser vorhanden. Das neue Anwesen nannten sie "Corveyer Hof.
Sie bauten eine Kapelle, die dem jüngeren Klosterheiligen St. Vitus geweiht war. An diesen erinnern die in unserem Jahrhundert untergegangene Trabener Weinbergslage Veitsberg und die noch bestehende Flurbezeichnung Veitsgraben.
Vor 870 stand moselaufwärts oberhalb des Traben-Trarbacher Ortsteils Rißbach auf einer Anhöhe, wahrscheinlich über der S Kurve der B 53 im heutigen Weinbergsgelände eine Kirche, die St. Stephan, dem älteren Schutzheiligen des Klosters geweiht war. An sie erinnerte der Rißbacher Stephansberg. Die späteren Aufzeichnungen der Kirchenmeister über die "In Namen (Einnahmen) und ußgaben" der Kapelle zu Corvey bei Traben befinden sich aus der Zeit von 1508 bis 1701 in einer 370 Seiten starken Lose-Blatt-Akte im LHA. Ko. 33/ 6759. Die Aufzeichnungen der Stephanskirche, hier auch als Kapelle bezeichnet, liegen aus dem gleichen Zeitraum in dem 5 Aktenbündel umfassenden Bestand 33/6780 zwischen den Rechnungen der Kirchenmeisterei zu Traben. Neben dem neuen Corveyer Hof errichteten die neuen Herren nahe der St. VitusKapelle eine Propstei, Wohnung des klösterlichen Vorgesetzten. In der Zeit von 1180 bis 1209 hatte ein Propst namens Reimarus die Stelle inne, mit dessen persönlicher Schenkung von Weinbergen an Corvey, laut Westf. Urkundenbuch 11/217, er durch einen Vertrag mit dem Kloster seine Altersversorgung absicherte.
Wenn auch an der Weser die Freude, an der Mosel über einen beachtlichen Hof mit Weinbergsbesitz zu verfügen groß war, so stellte sich im Laufe der Zeit die Entfernung zwischen der Weser und der Mosel als ein großes Hindernis heraus. Obwohl keine Lieferungen von Litzig nach Corvey bei Höxter bekannt sind, ist
doch anzunehmen, daß die fürstliche Reichsabtei in ihrem Keller über einen Weinbestand aus dem moselländischen Besitz verfügte, dessen Transport mit hohen Kosten verbunden war.
Auch die Errichtung des neuen Hofes oberhalb des alten Königshofes Litzig begann sich als ein Schritt in die falsche Richtung abzuzeichnen. Corvey investierte vornehmlich in seine neuen Gebäude. Dies hatte zur Folge, daß der ehemalige Königshof Litzig den Hofcharakter weiter ablegte und den Übergang zu einem Dorf vollzog. Hinzu kam, daß 300 Jahre nach dem Besitzantritt der Corveyer die Kirche zu Traben die Eingliederung der Bewohner Litzigs, das in ihrem Kirchenbereich liegt, anstrebte. 1180 weiteten sich die Bemühungen zu einem Rechtsstreit aus, der in einem sponheimischen Gültbuch festgehalten ist (LHA. Ko. 33/4912 III). Nach 32 Jahren, anno 1212, wurde er zugunsten der Trabener Kirche entschieden.
Diese Entwicklung fanden auch die Grafen von Sponheim vor, als sie im 12.Jahrhundert nach Enkirch und damit zur Mosel kamen, von wo aus sie sich später auf der Starkenburg niederließen. Ihnen blieb nicht verborgen, dass die Reichsabtei an der Weser mit ihrem moselländischen Besitz keineswegs zufrieden war, weshalb sie ihr Interesse an dem zu ihren Füßen liegenden Hof bekundeten. Vielleicht haben die Corveyer selbst zu verstehen gegeben, daß sie ihren fernen Besitz an der Mosel einmal abstoßen möchten. Wie dem auch gewesen sein mag, zwischen den Sponheimern und dem Abt von Corvey kam es zu einem Vorvertrag, in dem sich die Sponheimer das Ankaufsrecht sicherten.
Graf Johann III. von Sponheim kauft den Hof

Seit Ludwigs Schenkung waren rund 490 Jahre vergangen, als sich der Besitzwechsel ankündigte. Deshalb kam es im Jahre 1358 zu ernsthaften Kontakten, die sich für beide Seiten positiv entwickelten. Die Verhandlungen zwischen dem Mönch Dietrich auf dem Corveyer Hofgut, der den Abt Dietrich und das Kapitel der fürstlichen Reichsabtei vertrat, und dem Bevollmächtigten des Grafen Johann III. von Sponheim, Philipp Schauff von Bernsau, schlössen mit einer Vereinbanung ab, die "geben wart 1359, des dunstages nach der heiliger drier kunigedage, den man nennet zu latine Ephiphania", das war der 11. Januar (LHK. Ko. 33/15117). In ihr wurde die Kaufsumme, die der Graf 14 Tage nach Maria Lichtmeß am 16. Februar in Mainz zu zahlen hatte, festgelegt. Hiernach gehe der Hof mit allem was dazugehört, in den Besitz des Sponheimers über. Der Hof war, wie die Urkunden vom 18./19. Februar 1359 ausweisen, schon vor dem Verkauf als Corveyer Lehen an die Sponheimer ausgegeben.
Mit dem Hof war jedoch die Pflicht verbunden, jährlich 4 Ohm Wein (zu 167 Ltr.) an den Aacher Hof in Traben zu liefern. Dafür war der Corveyer Hof vom Kirchenzehnten befreit. Sollte der Beauftragte von Corvey in Leibesnot geraten und deshalb zum Abschluß des Kaufvertrages nicht erscheinen können, gelobten Abt und Kapitel einen anderen Bevollmächtigten zu senden. Das Schriftstück wurde von Dietricht für Corvey und Philipp Schauff von Bernsau im Namen des Grafen gesiegelt.
Vereinbarungsgemäß zahlte Johann III. die festgesetzte Summe, so daß am 18.und 19. Februar zwei weitere Urkunden gesiegelt wurden, deren Wortlaut in einem sponheimischen Copialbuch (LHA. Ko. 33/12276) aufgezeichnet ist:
"Wir, Dietrich von Ketge (Dalwig), von Gottes Gnaden Apt und das Kapitel zu Corvey bekennen uns öffentlich zu diesem Brief und dun kunt allen luten (Leuten), die ine sehend oder horent lesen", daß wir mit gutem Willen und mit wohlbedachtem Mute und "gemeinem" (gemeinsamen) Rat einmütig um unseres Stiftes "großen Notz" verkauft haben und verkaufen in vollem Recht und redlicher Absicht, "unsern eygen Hof zu Litzig, den man nennt
Corvey, der gelegen ist gen Starckenberg uf der Mosein", mit allen seinen "Zugehörigen" (allem was dazu gehört) und mit allen Rechten, auch denen, die "dartzu gehören mögend, mit Namen Leenluten (Lehnspflichtigen), Wingarten, Wingülten (Weineinkünften), filern (vielen) Veldern, Wiesen, Weidern, Zehenden, Oleygülten (Öleinkünften), Beschenkten Husern (Häusern), hoben (Höfen), Gärten, Bömgärten (Obstwiesen), Bronnen
(Brunnen), Wassern, Weiden, Gerichten hoch und nyeder", mit sämtlichen dazugehörigen Rechten, bekannte und unbekannte, besehene und unbesehene, ganz gleich wie sie genannt werden, nicht ausgenommen die vier "Amen Wins" (Ohmen Wein), die den Canonikem vom Aachener Marienstift "zu unser frauen zu Aachen" und dem Pastor von Traben alljährlich zur Herbstzeit zu geben sind. Dafür ist der Hof mit allen seinen Gütern von der Kirchensteuer befreit.
Das hier aufgeführte Vermögen erhält der "Edle Herr Grave Johann zu Spanheim und sine Erben alle wegen und ewieglich (jetzt und in Ewigkeit) um sieben und Zwentzighundert Gulden (für 2700 Gulden), genannt von Florentien, gut von Gold und schwere von Gewicht, Mentscher (Mainzer) Werung" die er bereits "genzlich bezahlt hat", sodass durch diese gegenwärtigen Brief der Hof mit allen Gütern, "wie sie hiervorgenannt sind oder man noch nennen mag", dem Edelherrn Grave Johann zu Sponheim und sinen Erben zugeschrieben wird. "Wir verzihen (verzichten) daruf und han verzihen eintrechtlich mit samender Hand (mit Handgelöbnis)". Dieses Gelöbnis hat heute und in Ewigkeit Gültigkeit. Abt und Kapitel versichern, für alle Zeiten sich gegen diesen Verkauf nicht mit "geistlichem oder weltlichem Recht, noch mit frembden", das man jetzt oder später in Anspruch nehmen könnte, anzufechten. Auch dann nicht, wenn dem Abt oder Kapitel und ihren Nachkommen anderslautende Verträge vorgelegt werden sollten, die dem Grafen und seinen Erben schedlich mochtend sin". Sollte jedoch ein Dritter behaupten, "daß wir Apt und Capitel zu diesem Kauf getrungen" oder gezwungen worden seien, werden wir widersprechen, "daß das nit en ist, dann was wir gedon hant", das haben wir "unbezwungen und mit wohlbedachtem Mute gedon". Sie geloben dem Grafen und seinen Erben in einem solchen Falle "in eydes Stat werschaft" bei allen zuständigen Gerichten zu tun mit dem Bekenntnis, dass sie alle rechtlichen "anspräche" (Ansprüche) abgelegt und "abzudun" haben. Sollten der Abt, das Kapitel, ihre Nachkommen oder eine andere Person in ihrem Namen "bey Babsten, by Kaisern, by Königen oder by einigen Herren, die die Macht mögen han, erwerben oder tun werben oder nennen darumb ersuchen", von diesem Vertrag entbunden zu werden, so haben sie alle "geistliche und weltliche Rechte" verloren und begeben sich "in des Babstes Bann (und) in des Kaysers Acht". Abt Dietrich und das Kapitel versichern abschließend nochmals, daß "diese vorgeschriebene Stücke eintrechtiglich mit unserm guten Willen, Rat und Gehengnisse (Erlaubnis) geschiet sind". Sie haben ihre Insiegel "zu einem Gezeugnisse (Zeugnis) ewiger Stetigkeit aller dieser vorgenannten Puncte und Artickel... an diesen gegenwertigen Brief gehangen", und zwar im Jahr "do man zahlte nach Christi Geburt, tausend drehundert nun und fünfzig Jahre des Montags nach dem Sonntag, so man singet in der heiligen Kirchen Circumdederunt" (1359 Febnuar 18.).
Für 2700 gute florentinische Goldgulden erwarb Johann III. von Sponheim, Sohn der Gräfin Loretta, die 1328 Erzbischof Balduin gefangen nahm, den Corveyer Besitz an der Mittelmosel und konnte als Lehnsherr darüber
verfügen.
Der Goldwert der hier gezahlten Summe lässt sich belegen, denn das in den drei oberitalienischen Städten Florenz, Genua und Venedig geprägte Zahlungsmittel, nach Florenz wegen seines Goldgewichtes benannt, beinhaltete 3,357 gr. reines Gold und entsprach damit 1/96 des Floriner Pfundes. Der Höhnische Goldgulden galt auch im römischen Reich deutscher Nation als Zahlungsmittel. Erst im Jahre 1386 vereinbarten die vier rheinischen Kurfürsten von Trier, Mainz, Köln und der Pfalz, sein Feingewicht an Gold herabzusetzen. Der Kaufwert des Hofes mit allem Zubehör betrug 9,550 kg reines Gold. Der Kaufpreis wäre mit Sicherheit höher ausgefallen, wenn die Corveyer ihren hiesigen Besitz besser in Ordnung und unter Kontrolle gehalten hätten. Von dem dorfähnlichen Königsdorf Litzig hören wir in der Urkunde nichts mehr. Längst waren dessen einstige Häuser, Ställe, Scheunen und Speicher veräußert worden oder die Bewohner hatten diese abgeleistet. Im Gegensatz zu König Ludwigs Schenkungsurkunde, in der bis zur Spindel und dem Ei uns eine genaue Einzelaufstellung vorliegt, macht die Corveyer Fürstabtei keine detaillierte Angabe zu dem Umfang ihres Besitzes an Häusern, Ländereien, Einkünften oder Lehnleuten, zumal die Sponheimer als bisherige Lehnsträger gut informiert waren. Die häufige Erwähnung, daß noch "unbesehent (unbesehens)... unbekannte oder dartzu gehören mogent" vorhanden sein könnte, läßt zwar nicht darauf schließen, daß den Corveyern kein Besitzverzeichnis zur Verfügung stand, doch so ist die zweimalige Erwähnung, daß Abt und Kapitel "umb unseres Stifts großen Notz" das moselländische Klostergut verkauften, als der echte Verkaufsgrund anzusehen, zumal sie in Graf Johann III. einen pünktlich zahlenden Vertragspartner hatten. Der Graf seinerseits wird über den bedauernswerten Zustand hinweggesehen haben und nutzte die Gunst der Stunde, obwohl er gerade mit dem Bau der Grevenburg arg gefordert war.
Unter den hier geschilderten Umstanden ist es durchaus verständlich, dass Graf Johann III. den Kaufvertrag nach allen möglichen Seiten hin absichern ließ.
Eine halbe Burg mit Gütern

Nachdem der Sponheimer im Besitz des gesiegelten Briefes war, forderte er einen Tag später den Abt und das Kapitel auf, etwas von dem als sein Eigentum zu beurkunden, was in dem Kaufvertrag mit "unbekannt" und "dartzu gehören mögend" bezeichnet wurde. Willig bestätigen "Apt und Kapitel... in sunderlicher Fruntschaft und Gunst" dem Sponheimer und seinen Erben, daß diesen von nun an "die Burg halb, als verre (so fern) sie zu Travener Pfarre gehörig ist und alle guten (Güter/Häuser) und Gerichte (Rechte)".
Mit der "Burg halb" ist die halbe Starkenburg gemeint, die unterhalb des heutigen Dorfes Starkenburg auf einem Felsmassiv stand. Im 12.Jahrhundert gehörte der kleinere östliche Teil des Felsmassivs zur Enkircher Gemarkung. Dort stand die Vorburg mit einem großen Wachturm und der Kapelle, die den Sponheimern gehörte. Als um die Wende des 12/13.Jahrhunderts die territoriale Macht des Trierer Erzbischofes Johann 1. ständig wuchs, hielt es Graf Heinrich von Sponheim zwischen 1192 und 1198 tür ratsam, seinen Starkenburger Anteil der Obhut des Trierers anzuvertrauen, von dem er diesen sogleich wieder als Lehen empfing. Der größere Burgteil stand auf dem zu Traben gehörenden südlichen Felsteil. Diesen, zur Dorfseite gelegen, hatte "der Edel Grave Johann zu Spanheim und sine Altvordern von uns (Corvey) und unsern Vorfaren und Stifte zu Lehen" erhalten. Sie gestatten ihm, auch den Burganteil dem Schutze eines mächtigeren Fürsten anzuvertrauen, der "zu seine Nütze ine düchte. ihme queme", also passend ist, damit er "die vorgenannten Güter von dem Herren empfahn", als Lehen empfange. Gleichzeitig "sagen wir dann vor uns, vor unser Capitel und Nachkömmlinge ymerme (für alle Zeit) den edlen Grafen und die Seinen aller ire Eyden, Hulden (Treuegelöbnissen und Dienstbarkeiten) und Mannschaft quit, los und ledig ... alle unsere alte Briefe von der vorgenannten Mannschaft, die wir itzund hont (jetzt haben) oder hernach funden mochten, dod sin (ungültig sein) und keine Macht ine haben". Sie versprechen, solche auch später weder beim Papst noch König vorzulegen, um das verkaufte Eigentum wieder zu beanspruchen und die gelösten Eide und Dienste nicht mehr in Kraft treten zu lassen, andernfalls wollen sie alle bürgerlichen Rechte verloren haben. Abt und Kapitel siegeln die Urkunde am 18. Februar 1359 (LHA. Ko. 33/12276, 832-835)
In der vom Vortag lokalisieren die Corveyer selbst die Lage ihres Hofes mit dem Hinweis, "der gelegen ist gen Starckenburg" Sie orientieren diesen nach ihrem Eigentum, ohne es als solches zu bezeichnen. Waren die Corveyer wirklich so schlecht über ihren Besitz unterrichtet?
Vom 19. Februar 1359 liegt uns noch eine weitere Urkunde vor, auf die mich Archivrat Dr. Mötsch aufmerksam machte.
Der Kauf des Corveyer Hofes durch den Landesherrn blieb der hiesigen Bevölkerung, unter der sich auch Lehnsleute des Hofes befanden, nicht unbekannt. Deshalb erschienen am vorgenannten Tage vor dem bisherigen Hofherrn Dietrich der Ritter Gobel, der Lehnsmann Gottfried Haller von Esch und seine Mannschaft auf dem Hofgut und wurden durch Dietrich aus ihren Diensten gegenüber dem Kloster losgesprochen. Dieser forderte die Losgesprochenen auf, ihre vornehmlich aus Weinbergen bestehenden Lehen mit dem Grafen zu erneuern. Graf Johann aber verwahrte alle Verträge über den Hof und dessen Ländereien auf der Starkenburg in einer Truhe, "do steht aufgezeichnet ein H" (LHA. Ko. 33/12276, 829).


Der Text ist der einleitende Teil eines Aufsatzes, den Willi Westermann unter dem Titel "Litzig und seine Fischerzunft von 1455" veröffentlicht hat.

Zu vorstehendem Artikel, der sich mit dem Corveyer Weingut in Litzig bei Trarbach an der Mosel befaßt, lassen sich einige Ergänzungen anfügen.
Zunächst ist zu berichten, daß Corvey schon früher Besitzungen am Rhein nahe bei Bonn hatte, unter denen Weinberge eigens erwähnt werden. In einer Urkunde vom 20. März 843, in Aachen ausgestellt, übertrug Kaiser Lothar seinem getreuen Grafen Esic acht Mansen, welche er bisher zu Lehen hatte, zu freiem Eigentum, so dass er darüber nach Belieben verfügen konnte. Diese Mansen lagen in Castenicha in der Grafschaft Bonn im Gau Riboaria. Seit 1904 ist dieser Ort Kestenich oder Kessenich im südlichen Stadtgebiet von Bonn eingemeindet.
In einer undatierten Urkunde bestätigt Kaiser Lothar daß Graf Esich die oben erwähnten Güter zu seinem Seelenheil an das Kloster des hl. Stephanus in Corvey geschenkt habe. Der Kaiser erklärt diese Schenkung zu freiem Eigentum des Corveyer Abtes.
Die Schenkung des Grafen Esich (oder Esic) wird auch in den Corveyer Traditionen überliefert im § 147 unter Bezug auf die Urkunde Kaiser Lothars, ebenso im Wohltäterverzeichnis aus dem 12. Jahrhundert, wo es heißt: Graf Esic (schenkte) Weinberge in Kastiniaco.
Somit hatte das Kloster Corvey beträchtliche Weingüter an Rhein und Mosel durch Schenkung erworben, die es zu nutzen galt. Der Transport des Weines war naturgemäß umständlich und kostspielig wegen der weiten Entfernungen, aber Wein war für den Gottesdienst unentbehrlich, dazu ein sehr erwünschtes Getränk für die Mönche.
Aus unbestimmter Zeit, wahrscheinlich aus dem 12. Jahrhundert, gibt es einen interessanten Bericht über den sog. "fiter vini" also die "Corveyer Weinreise" zur Beförderung des kostbaren Gutes. Die Fahrt ging über den Hellweg bis in die Gegend von Duisburg, wo der Rhein erreicht wurde, der als Transportweg wesentlich günstiger war als die Pferdefuhren zu Lande. Eine Reihe von Zwischenetappen werden uns überliefert; von Corvey ging es zunächst nach Mönninghausen (bei Lippstadt), dann nach Büderich (bei Werl), von da nach Steele (heute Ortsteil von Essen) und schließlich nach Lakum (bei Duisburg). Alle diese Raststellen waren in Corveyer Besitz, was die Versorgung der Transportfahrzeuge, ihrer Begleiter und Zugtiere mit Verpflegung, Pferdefutter und sonstigen Notwendigkeiten erheblich erleichterte (und auch verbilligte). Die wohlüberlegte und offenbar
wirkungsvolle Organisation der jährlichen Weintransporte lässt auf eine längere Zeitdauer dieses Verfahrens schließen.
Man muß davon ausgehen, dass der Besitz Corveys in Litzig an der Mosel erheblich größer war als der in Kessenich bei Bonn. Der Kaufpreis von 2700 Gulden stellt für die damalige Zeit eine recht hohe Summe dar Zudem ist anzunehmen, dass in der langen Zeit Besitzteile von Corvey veräußert waren, dass also die Schenkung von 870 nicht mehr komplett war. So wissen wir, daß Corvey Teile in unbekannter Größe an das Kloster Hardehausen verkauft hat, bezeugt seit 1251. Um die gleiche Zeit hat Corvey seinen gesamten Besitz in Kessenich an das Kloster Hardehausen abgetreten. Nur zwei Fuder Wein blieben Corvey, die es dann im Jahr 1297 auch noch an Hardehausen verkauft hat. Der Besitz in Litzig muss aber trotz aller Verkäufe noch beträchtlich gewesen sein, wie der Kaufpreis aus dem Jahr 1359 beweist.
Von Bedeutung ist die Erwähnung von Pröpsten in Litzig. Corvey hat dort vielleicht einen kleinen, von der Mutterabtei abhängigen Konvent gegründet, dessen Mönche gleichzeitig die Seelsorge der dort arbeitenden und wohnenden Familien übernehmen konnten. Der mehrfach vorkommende Ausdruck praepositus, Propst, läßt kaum eine andere Deutung zu. Zwischen den Jahren 1190 und 1232 werden die Pröpste Reinmar, Hartlev, Ludolf und Heinrich namentlich erwähnt. Andererseits enthalten die spärlichen Schriftquellen keinerlei Hinweise auf Mönche, ein Kapitel oder auf die Kirche. Man muß die Frage nach der Art der Propstei wohl offen lassen.
Die von Corvey weit abgelegene Besitzung war nur schwer zu beaufsichtigen und zu verwalten, sie reizte mächtige Nachbarn geradezu zu gewaltsamen Übergriffen. So erfahren wir aus einer Urkunde aus dem Jahr
1233, daß die Grafen von Sponheim, die späteren Käufer Sühne leisten mussten für Schäden, die sie unrechtmäßig verursacht hatten. Die Tendenz, zu weit abgelegene Güter gegen günstiger in der Nähe befindliche zu vertauschen oder sie zu verkaufen, ist deshalb oft festzustellen. Doch ist Corvey recht lange im Besitz seiner Weingüter geblieben, um 1250 wurde Kessenich, 1359 dann Litzig verkauft. Die Möglichkeit, große Mengen Wein auf eigenem Grund zu erzeugen und nach Corvey zu schaffen, wird trotz aller Schwierigkeiten die Mönche veranlasst haben, ihre Weingüter möglichst lange zu halten. Schließlich aber entschlossen sie sich doch zum Verkauf, wobei die inzwischen eingetretene wirtschaftliche Notlage in Corvey selbst sicher ein nicht zu unterschätzendes weiteres Motiv darstellte.
(Brüning)


 
 
 
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