Wasenmeister, Scharfrichter und Chirurgen - CCG

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Wasenmeister, Scharfrichter und Chirurgen

Genealogie > Die Sponheimer

Von den Wasenmeistern, Scharfrichtern und Chirurgen in der Hinteren Grafschaft Sponheim
Mitteilungen der Westdeutschen Gesellschaft für Familienkunde
Bd. 29, Jg. 68, H. 8
Otto Münster
Neubearbeitung: Kai P. Bauer

In früheren Jahren, als die Viehhaltung eine größere Bedeutung hatte als heute, und auch Viehseuchen in stärkerem Ausmaß grassierten, war die geordnete Beseitigung des verendeten Viehs für Mensch und Tier sehr wichtig. So bildete sich allmählich der Beruf des Abdeckers heraus. Seine Bezeichnung war je nach Gegend verschieden wie z.B. Wasenmeister - Schinder - Deglubitor (von deglubere = die Haut abziehen). In der Hinteren Grafschaft Sponheim auf dem Gebiet des Landkreises Bernkastel-Wittlich war die Bezeichnung Wasenmeister gebräuchlich.
Bei vielen Orten befindet sich noch heute die "Schinkaul" oder der "Wasen", die Stelle also, wo die Kadaver verscharrt wurden.
Bestimmte Städte und Dörfer bildeten das Gebiet einer Wasenmeisterei, in dem nur der von der Herrschaft ernannte Wasenmeister tätig werden durfte. Der Wasenmeister der Hinteren Grafschaft Sponheim hatte seinen Sitz in Starkenburg, wird aber, da für die Ausübung seines Handwerks Wasser notwendig war, seine Arbeiten im Ahringsbachtal verrichtet haben. Oft war der Arbeitsanfall so groß, dass er mehrere Knechte hielt, die aber nur im Ahringsbachtal wohnen durften. Der Meister selbst bewohnte ein von der Herrschaft gestelltes Haus in Starkenburg.
Neben der Beseitigung des verendeten Viehs hatte der Wasenmeister aber noch andere "anrüchige" Aufgaben zu erfüllen, wie die Leerung der Aborte der Burg, das Erschlagen umherstreunender Hunde während der "Hundstage", die Aufzucht einiger Hetzhunde für die Herrschaft und das Auslegen von Ködern am Luderplatz.
Dass alle diese Tätigkeiten eines Wasenmeisters - wenn auch notwendig - in den Augen der Mitbürger dazu führte, dass er mit seiner ganzen Familie auf der niedrigsten Stufe stand und zu den "unehrlichen" Leuten zählte, ist verständlich. Waren ursprünglich Wasenmeister und Scharfrichter verschiedene Personen, wobei der Scharfrichter sich höchstens einmal der Hilfe des Wasenmeisters bediente, so bildete sich doch bald der Brauch heraus, dass beide Ämter in einer Person vereinigt waren. Bemerkenswert ist, dass der Scharfrichter sozial höher stand als der Wasenmeister.

So erließ die Markgräflich Badische Regierung 1742/1743 noch folgende Verordnung:
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§ 1

Schinders- und Henkersknechte sollen in den Wirtsstuben an einem separaten Tisch besonders gesetzt und aus besonderen für sie allein zu haltenden Geschirren bewirtet werden.

§ 2

Dieses soll aber nicht von Scharfrichtern verstanden, sondern solche gleich, anderen Gästen bewirtet werden.
Da aber seit dem Ende des 16. Jahrhunderts die Hexenprozesse aufgehört hatten, war der Arbeitsanfall des Scharfrichters weit geringer geworden, so dass sich dieser nicht mehr ernähren konnte. So hatte sich schon in dem Zeitraum, der zu betrachten ist, im Gebiet der Hinteren Grafschaft Sponheim die Vereinigung der beiden Ämter vollzogen. Der Scharfrichter war also sozial auf die Stufe des Wasenmeisters herabgestiegen.
Hatte die Regierung im Erlass über die Bewirtung von Wasenmeistern und Scharfrichtern einen Unterschied gemacht, so ist die nachfolgende im Jahre 1700 erlassene Verordnung kaum als eine Diskriminierung zu verstehen. Vielmehr sollte sie wohl das Amt des Scharfrichters besonders herausstellen.
Ich führe die Verordnung aber an, da sie in Starkenburg zu Misshelligkeiten führte und die Behörden über einige Zeit beschäftigte.

§ 1

Den Scharfrichtern und ihren Familien soll ein eigener Stuhl in den Kirchen angewiesen werden, dass sie nicht zu den Bedienten stehen. 11. Jan. 1720

Welche Aufgaben dem Wasenmeister und dem Scharfrichter zukamen, sagt ein Erbbestandsbrief, der 1774 ausgestellt wurde:
1. Eberhard Schmid erhält für sich und seine Erben gegen Entrichtung des Laudemiums von 1 ½ Talern die Erbleihe über die Nachrichterstelle (Scharfrichter) in der ganzen Hinteren Grafschaft Sponheim - ausgenommen da, wo die Gemeinschaft mit anderen Herrschaften eine Ausnahme zulassen. (Z.B. im Dreiherrischen) - Das Laudemium ist eine einmalige Zahlung bei Kauf eines Grundstücks -. Sodann erhält Schmid die Erbleihe über die Wasenmeisterei im Oberamt Trarbach und im Amt Dill.
Er hat in allen vorkommenden Fällen die beiden Ämter fleißig zu versehen und seine Wohnung in Starkenburg zu nehmen. Wasser und Weide erhält er unentgeltlich.
2.Bei vorfallenden Criminalsachen und peinlichen Exekutionen hat er die Befehle Hochfürstlicher Regierung auszuführen und sich mit dem zu begnügen, was ihm für seine Bemühung und Arbeit verordnet wird.
3. Er hat sich aller verdächtigen und ungebührlichen Handlungen zu enthalten. Besonders wird ihm untersagt, Mittel zu gebrauchen, die zu einem Viehsterben führen und die Untertanen schädigen. Vielmehr hat er darauf bedacht zu sein, dass er nur Mittel verwendet, die Seuchen unter dem Vieh verhindern.
Dieser Punkt 3 lässt den Schluss zu, dass einige Wasenmeister in der Vergangenheit versuchten, ihren Gewinn unrechtmäßig zu erhöhen.
4. Krepiertes Vieh darf nur der Wasenmeister abschleppen und abdecken. Für seine Bemühungen erhält er die Haut.
5.Die Haut des mit Perlen (Tuberkulose) behafteten Viehs soll gemäß dem Vertrag von 1726 dem Besitzer zurückgegeben werden. Der Wasenmeister erhält nur den im Vertrag festgesetzten Lohn.
6. Für die Benutzung des Erbbestandes hat Eberhard Schmid jedes Jahr an Martini an die Fürstl. Landschreiberei (Trarbach) den Canon von 20 Gulden zu entrichten.
Der Canon entspricht der jährlichen Pacht -
7. Wenn die Herrschaft es befiehlt, hat er durch seinen Knecht Luder auslegen zu lassen dort, wo es gefordert wird.- Die Luder wurden zum Anlocken der Wölfe ausgelegt -Ebenso hat er ein paar Hunde aufzuziehen, wenn die Herrschaft es verlangt.
8. An die Rentkammer (Trarbach) hat er wie bisher 4 Halfter jährlich zu liefern.
9. Um bei künftigen Sterbefällen nochmals Streitigkeiten unter den Erben zu vermeiden, bedingt sich die Herrschaft aus, unterer mehreren Erben den Fähigsten auszuwählen. Dieser hat aber die Miterben abzufinden.Eberhard Schmid hat versprochen, sämtlichen Conditionen nachzuleben und sich wie es einem "frommen Scharfrichter und Meister gebühret" aufzuführen, damit gnädigste Herrschaft keinen Grund habe, den Erbbestand aufzuheben und eine Änderung herbeizuführen usw. usw.

Trarbach den 17.02.1774 Hochfürstl. Sponh. Gemeinschaftliche Rentkammer
Was die einzelnen Strafen betraf, so erhalten wir aus einer Taxe für Executionen aus dem Jahre 1700 Aufschluss. Zugleich erfahren wir aber auch, welch einträgliches Geschäft die Scharfrichterei sein konnte.
Sehr viele Scharfrichter und Wasenmeister betätigten sich als Chirurgen und Tierärzte; Nachkommen von diesen sind heute noch als Ärzte und Veterinäre tätig. Zwei Gründe mögen maßgeblich dazu geführt haben:
1. Es gab wenig studierte Ärzte.
2. Die Scharfrichter hatten sich verpflichtet, einen Gefolterten so zu behandeln, dass er nicht starb. So war er also gezwungen, sich mit der Anatomie des menschlichen Körpers zu beschäftigen.
Taxe für Exekutionen

1. Delinquent besehen, ob er schon eine Execution an ihm vollzogen  1 Thaler 30 Kreuzer
2. Mit Instrumenten zur Tortur aufwarten 1 Thaler 30 Kreuzer
3. Daumenstock anlegen 2 Thaler
4. Spanisch Stiefel anlegen 2 Thaler
5. Bei der Tortur anziehen 3 Thaler
6. Einen auf die Bank legen und mit Gerten streichen 3 Thaler
7. Einen an den Pranger stellen und mit Ruten streichen 2 Thaler
8. Einem eine Maulschelle geben 2 Thaler
9. Einem den Galgen aufzubrennen 3 Thaler
10. Einem Nasen und Ohren abzuschneiden 5 Thaler
11. Einem die Zunge abzuschneiden 5 Thaler
12. Einen mit glühenden Zangen zwicken 5 Thaler
13. Einem die Hand abzuhauen 5 Thaler
14. Einen mit dem Strang hinzurichten 7 Thaler 30 Kreuzer
15. Einen mit dem Schwert hinzurichten 7 Thaler 30 Kreuzer
16. Einen zu begraben oder das vom Galgen gefallene Gerippe 2 Thaler
17. Den Kopf oder eine Hand auf den Pfahl zu stecken 5 Thaler
18. Den Leib auf das Rad zu legen 5 Thaler
19. Einen zu radbrechen 12 Thaler
20. Einen zu verbrennen 5 Thaler
21. Den Scheiterhaufen aufzurichten 3 Thaler
22. Einen Selbstmörder zu henken (Selbstmörder wurden bestraft) 7 Thaler 30 Kreuzer
23. Einen zu vierteilen 12 Thaler
24. Die Viertel auf die Straße zu henken 3 Thaler
25. Wenn der Maleficiant mit dem Wagen zur Richtstatt geführt werden muß oder doch der Wagen zur Richtstatt mitgehen muß 3 Thaler
26. Einen einzusacken oder zu ersäufen 5 Thaler
27. Einen Soldaten an die Justiz anschlagen (Strafe für Deserteure) 3 Thaler

Die Aufstellung zeigt, wie grausam man in früheren Jahren mit Rechtsbrechern verfuhr. Die Rechtssprechung war noch vom Rachegedanken bestimmt.
Zum ersten Mal wird ein Scharfrichter von Trarbach am 10.02.1641 erwähnt, als er die Katharina Knebel in Winningen hinrichtet. Sie war als Hexe wegen Zauberei verurteilt worden und gehörte zu den Sponheimer Untertanen in Winningen.
So musste also der Scharfrichter von Trarbach her, um die Exekution durchzuführen.
Am 06.03.1645 wird in Enkirch ein Mörder hingerichtet, der einen Mord zwischen Trarbach und Enkirch begangen hatte. Wenn auch, wie so oft, der Scharfrichter nicht namentlich genannt wird, so können wir aber annehmen, dass es sich um Hans Henrich Dorsch handelte, der zunächst in Sobernheim tätig war und später nach Starkenburg übersiedelte.
Im Kirchenbuch von Wolf findet sich die Eintragung: "Hinrichtung auf Jubilate 1653 (3. Sonntag nach Ostern) durch Meister Henrichen". - Im Sterberegister von Irmenach steht: "Am 17.08.1674 beerdigt in Irmenach Dorsch Hans Henrich, gewesener Nachrichter, 60 Jahre alt."
Von diesem Scharfrichter Dorsch wissen wir nur, dass seine Frau Johanna hieß und wahrscheinlich eine geborene Bickler (Bückler) war, denn bei seiner 1659 geborenen Tochter treten als Paten auf: Sebastian Bickler, Scharfrichter im Amt Kirchberg und Anna Ursula Wolff, Tochter von Nikolaus Wolff, Scharfrichter in Kirn.

Hans Peter Nagel (siehe vorstehend unter b), seit 1686 als Scharfrichter und Wasenmeister in Starkenburg tätig, reicht 1714 beim Herzog in Birkenfeld eine Beschwerde ein, "dass er und seine Familienangehörigen einen besondern Platz in der Kirche in Starkenburg einnehmen müssen und beim Abendmahl nur zum Schluss gehen dürfen. Seine Kinder würden misshandelt schlimmer als Juden und Heiden."
Der Herzog, ein gerechter Mann, lässt an anderen Orten anfragen, wie es dort gehandhabt wird. Schließlich verfügt Christian Pfalzgraf bei Rhein und Graf von Sponheim, dass der Scharfrichter wie die anderen zu halten sei.
Aber das Konsistorium in Trarbach gibt nicht nach, sondern antwortet im März 1715: "... Anno 1700/01 beim Kirchenbau in Starkenburg wurden beim Einbau der Kirchenstühle dem Scharfrichter und seinen Leuten eigene Sitze gebaut, wozu er selbst den Maler seine Waffen wie ein Schwert und dergleichen aufmalen ließ.
In diesem Stuhl habe er auch bis vergangenen Jahres gesessen, bis sein Sohn (Joh. Adam Nagel) geheiratet. Dessen Frau hat sich dann beschwert, denn andernorts hätte sie neben den Gemeinsleuten gesessen..." Das Konsistorium stellt aber fest, dass andernorts die Scharfrichter auch als Letzte zum Tisch des Herrn gingen.

Über das Ende des Streites ist nichts zu erfahren, es ist aber anzunehmen, dass es bis zum Einmarsch der Franzosen beim bisherigen Zustand blieb.
Von Hans Peter Nagel ist der Fall einer Hinrichtung im Jahre 1721 bekannt, der wegen seiner Eigenartigkeit kurz geschildert werden soll.
Anton Ries, ein Hirtensohn und selbst Hirt trieb Sodomie mit einer Ziege. In einem längeren Verhör bekennt Ries, dass er nur dieses eine Mal sich vergangen habe. Man will aber noch mehr aus dem Burschen herauspressen, und so muss der Scharfrichter ihm einige Folterinstrumente zeigen, um ihn so zu weiteren Aussagen zu bringen.Obwohl die Untersuchung klar erweist, dass es sich bei dem Angeklagten um einen offenkundig Schwachsinnigen handelt, wird das Urteil über ihn gefällt.
Der Spruch lautet:
"... ist der Delinquent mit dem Schwert vom Leben zum Tod zu bringen, das Vieh aber, da es noch vorhanden, durch den Scharfrichter totzuschlagen und zu vergraben. 18.09.1721 Birkenfeld."
Bereits am 27.10.1721 wird das Urteil durch die Hochfürstl. Markgräfl. Badische Regierungskanzlei in Rastatt bestätigt.
Bericht über die Hinrichtung:
Die Hinrichtung fand am 25.11.1721 statt - Begleitet von dem Amtsausschuss, 4 Geistlichen und unter dem Gesang der Kinder und dem Läuten der Glocken wurde der Delinquent zur Richtstatt geführt. Nach der Hinrichtung wurde er auf der Stelle verscharrt, das Vieh aber auf dem Wasen totgeschlagen und dort vergraben.

 
 
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